Rede der VVN-BdA bei der Kundgebungstour „Nazis entgegentreten“ in Nürtingen
11. Mai 2014
seit einem Jahr mißbrauchen die sogenannten „Freien Nationalisten Esslingen“ einen Todesfall, der sich in Folge eines Streites am 16.03.13 im Asylbewerberheim in Kirchheim/Teck ereignete für ihre menschenverachtende Hetze gegen Flüchtlinge.
Doch damit nicht genug. Diese seit Anfang 2013 aktive Gruppe junger Neonazis aus dem Kreis Esslingen bedrohten aktiv Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen. Sie schreckten auch vor einem Mordaufruf gegenüber einem Jugendlichen nicht zurück.
Im Internet und in verschiedenen Orten in dieser Woche verteilten Aktivisten aus dieser Gruppe Flugblätter gegen unsere heutige Kundgebungstour und drohten offen damit, gegen die unterstützenden Organisationen vorzugehen. Dabei beziehen sich die Freien Nationalisten Esslingen im Internet positiv auf den „NSU“, indem deren offen terroristischen Morde an Migranten relativiert werden.
Es verwundert deshalb auch nicht wirklich, dass die „Freien Nationalisten Esslingen“ eine gute Zusammenarbeit mit einer anderen Nazitruppe, den „Autonomen Nationalisten Göppingen“ pflegen.
Gegen diese Gruppe läuft ein Verfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Am 26. Februar 2014 durchsuchte die Polizei 19 Wohnungen mutmaßlicher Mitglieder der „Autonomen Nationalisten Göppingen“ in den Landkreisen Göppingen, Esslingen und im Rems-Murr-Kreis.
Insgesamt 18 Beschuldigte im Alter von 22 bis 33 Jahren stehen unter dem Verdacht, eine kriminelle Vereinigung gebildet und zur Durchsetzung ihrer Ziele Straftaten begangen zu haben. Das unterstrich auch das Waffenarsenal an Schreckschusspistolen und weiteren gefährlichen Gegenständen wie Teleskopschlagstöcken, Schlagringen, Wurfsternen und Quarzhandschuhen, die dabei gefunden wurden und nicht nur zur Dekoration dienten: Die „Autonomen Nationalisten Göppingen“ griffen mehrfach MigrantInnen und AntifaschistInnen an. Einem Stadtrat der Partei „Die Linke“ in Göppingen wurden die Bremsschläuche seines Autos manipuliert. Nur mit viel Glück kam es zu keinem Unglück.
Dabei gibt es durchaus personelle Überschneidungen und gegenseitige Unterstützung dieser militanten rechtsradikalen Gruppen. Und mehr. Einer der Festgenommenen fungierte bis vor einigen Tagen noch als Landesvorsitzender der Partei „Die Rechte“.
Menschen, die zu solchen Taten fähig sind, maßen sich an, nicht nur über andere urteilen zu können, sondern diese auch tätlich anzugreifen, wenn es ihnen beliebt?
Das unterstreicht, warum die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes sagt, dass Faschismus keine Meinung, sondern ein Verbrechen ist, das nicht durch demokratische Rechte abgesichert ist.
Vorgestern markierte der 8. Mai den 69. Jahrestag des Endes des II. Weltkrieges.
Die Gründer der VVN waren damals direkt von faschistischer Terrorherrschaft Betroffene: Gewerkschafter, Juden, Sozialdemokraten, Sinti und Roma, Kommunisten, Homosexuelle, Christen. Denen von ihnen, denen es gelang, durch Flucht den Nazis zu entkommen und noch mehr denen dies nicht gelang, sind wir alle verpflichtet, dafür zu sorgen, dass der Faschismus nie wieder sein Haupt erhebt. Das bedeutet heute aktiv zu werden, ganz konkret gegen die Nazis in unserem Landkreis.
Hier in Nürtingen machten die „Freien Nationalisten Esslingen“ unter anderem mit einer Aktion gegen die Ausstellung „Demokratie stärken – Rechtsextremismus bekämpfen“ im Nürtinger Rathaus von sich reden, als sie dort rechtsradikale Flugblätter und Aufkleber gegen Texte der Ausstellung austauschten. Auch darin relativieren sie die Straftaten mit rechtem Hintergrund. Dass die Ausstellung unter anderem wegen deren Aktivitäten – unter anderem Angriffe auf ein alternatives Wohnprojekt in Nürtingen – notwendig wurde, verschwiegen sie. Dabei ist eine Auseinandersetzung mit rechtsradikalen Vorgängen gerade in Nürtingen unbedingt notwendig:
Nicht erst seit den Landtagswahlen 1968, als 12,65 % der Nürtinger Wähler für die NPD votiert hatten und dadurch „in die Weltpresse einging“, wie die Nürtinger Zeitung damals schrieb. Die Partei zeigte ihre Verbundenheit und hielt 1981 ihren Parteitag hier gegenüber unserer Kundgebung, in der damaligen Stadthalle ab. Das lohnte sich für die Partei so sehr, dass der Nürtinger „Verein zur Pflege nationaler Politik“ im Jahr 2010 die Summe von 150.225,57 Euro an die NPD überwies.
Da verwundert es kaum noch, dass es in dieser Stadt möglich war, daß trotz seiner Funktionen in der extremen Rechten der in Nürtingen wohnende Altnazi Walter Staffa nicht nur lange Zeit eine Praxis für Allgemeinmedizin unterhielt, sondern auch 37 Jahre lang im Gemeinderat von Nürtingen und in Esslingen 30 Jahre lang im Kreistag saß. Dafür bekam er 1984 auch noch das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.
Wir als VVN-BdA begrüßen es deshalb außerordentlich, dass mit den heutigen Kundgebungen ein klares Signal gegen rechts gesetzt und gezeigt wird, dass diese menschenverachtende Hetze weder im Kreis Esslingen noch anderswo erwünscht ist und auch nicht geduldet wird.