Erfolgreiche Kundgebung gegen Naziumtriebe in Deizisau
31. Juli 2014
Am 19. Juli versammelten sich etwa 90 AntifaschistInnen bei strahlendem Sonnenschein zu einer Kundgebung vor dem Rathaus in Deizisau bei Esslingen. Anlass waren die vermehrten Aktivitäten der selbsternannten „Freien Nationalisten Esslingen“ (kurz: „FNES“) vor Ort. Die folgende Rede wurde von der Antifa Esslingen gehalten.
„Liebe Besucherinnen und Besucher der Kundgebung,
wir sind heute hier, um auf die jüngsten Entwicklungen und Aktivitäten der regionalen Neonaziszene aufmerksam zu machen und über deren Strukturen aufzuklären.
Die „Freien Nationalisten Esslingen“ (kurz „FNES“) sind eine seit Anfang 2013 aktive Gruppe junger Neonazis, die aus dem Kreis Esslingen stammen. Sie fallen immer wieder durch Hetzereien und Drohungen gegen Asylsuchende, Menschen mit Migrationshintergrund, politisch Andersdenkende und alternative Jugendliche auf.
Beispielsweise versuchten die „FNES“ Anfang diesen Jahres in Wendlingen bezüglich der geplanten Unterkunft für Geflüchtete gezielt, die Stimmung rund um die Diskussion zur Flüchtlingsunterbringung anzuheizen, um damit die Unsicherheiten der dort lebenden Menschen für ihre rassistischen Interessen zu missbrauchen und Angst vor dem vermeintlich Fremden zu schüren. Sie hetzten bereits in der Vergangenheit im Internet und in verteilten Flugblättern mit Slogans wie „Multikulturell gleich Mutlikriminell“ gegen alle Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen. Die Asylbewerberinnen und Asylbewerber werden somit allesamt als kriminelle Ausländer diskreditiert.
Die Neonazis aus dem Landkreis Esslingen sind eng vernetzt mit den „Autonomen Nationalisten Göppingen“. Beide Gruppen führen immer wieder gemeinsame Aktionen durch. Bei den „Autonomen Nationalisten Göppingen“ kam es im Februar diesen Jahres zu Hausdurchsuchungen und Verhaftungen. Es wurde ein Verfahren wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ eingeleitet. Vorgeworfen werden ihnen zahlreiche Straftaten wie Sachbeschädigungen, gefährliche Körperverletzungen, Volksverhetzung und Verstöße gegen das Waffengesetz zur Durchsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele. Die „FNES“ solidarisierten sich auch nach der Verhaftung mit den Göppinger Neonazis. So veranstalteten sie kurz darauf eine Kundgebung in Göppingen unter dem Motto „Freiheit für alle Nationalisten“.
Um Nachwuchs zu akquirieren haben die „FNES“ an Schulen im Kreis sogenannte Schulhof-CDs verteilt und gezielt Jugendliche angesprochen.
Doch es bleibt nicht nur beim Verteilen von Flyern und CDs: mehrfach bedrohten sie einen alternativen Jugendlichen und riefen öffentlich zu dessen Mord auf.
Außerdem griffen sie ein alternatives Wohnprojekt an, indem sie Fensterscheiben mit Steinen einwarfen.
Aktuell werden junge Menschen, die sich gegen diese Neonazis engagieren, immer wieder beleidigt, bedroht und verfolgt, auch gab es Einschüchterungsversuche in deren Wohnumfeld.
Auf bundesweiten Naziaufmärschen, wie z.B. in Magdeburg im Januar 2014 oder auch auf den homophoben und rechtsgesinnten Demos gegen den Bildungsplan in Stuttgart, treten sie im Schulterschluss mit der NPD und anderen rechten Netzwerken auf, um ihr menschenverachtendes Weltbild zu verbreiten.
Von öffentlicher Seite wird ihnen bislang kaum Widerstand entgegengesetzt und ihr Gefahrenpotential heruntergespielt. Ein Sprecher der zuständigen Polizeistelle bezeichnete die Freien Nationalisten Esslingen als „eine Gruppierung, die einfach ihre Meinung kundtut“.
Bereits am 10. Mai diesen Jahres veranstalteten wir eine Kundgebungstour durch Nürtingen, Wendlingen und Altbach. Ziel der Kundgebungen war es, eine breite Öffentlichkeit für das Naziproblem zu schaffen, antifaschistische Präsenz zu zeigen und ein Zeichen gegen menschenverachtende Hetze zu setzen. Hierbei gelang es, mit Menschen im Ort ins Gespräch zu kommen und diese zu informieren.
Während der Kundgebung in Altbach versuchten ortsansässige und angereiste Nazis immer wieder die Kundgebung anzugreifen. Dies konnte durch entschlossenes Handeln der Kundgebungsteilnehmer_innen verhindert werden.
Besonders erschreckend war, wie sicher sich die Rechten fühlten und sogar unmittelbar vor der Polizeikette vermummt und teilweise bewaffnet provozierten und versuchten, aggressiv an den Kundgebungsort zu gelangen.
Letztendlich wurden die Nazis festgenommen und vom Kundgebungsort entfernt.
In Altbach offenbarten die Nazis an diesem Tag der breiten Öffentlichkeit, dass sie sogar bereit sind, ihre Drohungen mit Waffengewalt in die Tat umzusetzen. Es wurden ein Schlagring und ein Messer beschlagnahmt.
Interessierte Bürgerinnen und Bürger waren schockiert von der Aggressivität und dem Ausmaß der Gewaltbereitschaft der störenden Neonazis. Dies zeigte sich in Gesprächen mit den Kundgebungsteilnehmer_innen.
Bereits am selben Abend kam es erneut zu gewalttätigen Übergriffen von Neonazis auf einen alternativen Jugendlichen, der sich auf dem Nachhauseweg befand. Auch wurden die Reifen seines Autos zerstochen.
Um an die Kundgebungstour vom 10. Mai anzuknüpfen, haben wir uns entschlossen, auch hier in Deizisau über die Neonazis vor Ort zu informieren und kontinuierlich präsent zu sein.
Es gilt weiterhin, sich entschlossen und solidarisch solchen Umtrieben entgegenzustellen.
Mit der heutigen Kundgebung in Deizisau wollen wir zeigen, dass diese menschenverachtende Hetze nicht geduldet werden darf, nicht im Kreis Esslingen und auch sonst nirgendwo!“