Frischer Wind bei alten Rechten?

19. August 2014

Die „Alternative für Deutschland“

Die erst Anfang 2013 gegründete neue rechte Partei „Alternative für Deutschland“ ist mit sieben Abgeordneten ins Europäische Parlament eingezogen und arbeitet mit auffällig vielen Wahlplakaten, Fernsehauftritten und einer intensiven Präsenz in den sozialen Netzwerken des Internets auf die Landtagswahlen dieses Jahres hin.

Aufklärung über Herkunft, Methoden und Ziele der AfD sind also dringend nötig.

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Ihre Erfinder

Die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) ist die Erfindung einer kleinen Gruppe von Angehörigen der sogenannten Elite. Vorrangig handelt es sich um Volkswirtschaftsprofessoren, Unternehmer, frühere Führungskräfte der CDU und FDP sowie Adelige, die sich Anfang 2013 als eurokritische „Alternative“ zum bisherigen Parteienspektrum erklärten.

Die Angehörigen dieser Clique sind gut vernetzt und weit davon entfernt, eine Alternative zum wirtschaftlichen und politischen System zu sein.

Die politische Legitimation der AfD bestand bei der Gründung ausschließlich in der Behauptung, fortan für „den Bürger“ sprechen zu wollen. Im Gegensatz zur Situation anderer neuer Parteien scheint es von Anfang an nicht an Geld gefehlt zu haben.

Berichtet wird über Fundraising-Dinner in Industriellenkreisen, je ein Darlehen über 1 Million Euro durch den Reeder Folkard Edler und den früheren Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie Hans-Olaf-Henkel und über Beziehungen der AfD zum „Verband der Familienunternehmer“.

(Tagesspiegel, 6.5.2014)

Ihr Konzept und die Mitglieder

Aus dem Verhalten der AfD-Spitze kann man auf ihr Konzept schließen, das offensichtlich aus der Analyse des bisherigen Scheiterns rechtspopulistischer Parteien in Deutschland entstanden ist. Aus Sicht der Führung besteht das Erfolgskonzept darin, das Rechtspopulismus-Stigma auf jeden Fall zu vermeiden, „unbelastetes“ Führungspersonal aufzustellen, sich mit sehr einseitig verstandener „Kompetenz“ zu schmücken, sich auf rechtspopulistische Netzwerke zu stützen, intensive Medienbeziehungen zu pflegen, von vornherein eine hohe Finanzierung zu realisieren und von einem Einstiegsthema (Euro-Rettung) aus das „Sarrazin-Themenspektrum“ zu erschließen.

Die Themen und Thesen des früheren Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin kann man gut und gerne als das heimliche Parteiprogramm der AfD verstehen: faule Ausländer, ungehorsame Kinder, Männer müssen Männer sein, arme Menschen sind undankbar, Polizei muss härter durchgreifen und Deutschland seine Interessen endlich einmal ernsthaft vertreten.

Dem Gründungsaufruf folgten innerhalb kurzer Zeit etwa 17.000 Mitglieder, bei denen es sich weit überwiegend um ältere, eher wohlhabende Männer handelt. Zur Gründung von oben kommt also eine Gründung von unten hinzu. Die Ziele und Interessen dieser schlagartig entstehenden Mitgliedschaft und Funktionärsschicht sind nicht deckungsgleich mit denen der Führung, was zu beispiellosen internen Auseinandersetzungen führt.

Auf der Überholspur versuchen viele an die Fleischtöpfe der Parlamente zu gelangen, die gleichzeitig so vehement abgelehnt: Heuern und Feuern, Hauen und Stechen sind in der AfD gang und gäbe.

Die AfD ist unter anderem ein Sammelbecken von Mitgliedern und Funktionären früherer Parteigründungsversuche, insbesondere des „Bundes Freier Bürger (BFB)“, der „Freiheit“ und der „Freien Wähler“. Einige ihrer neu aufgestellten Landesvorstandsmitglieder fallen durch öffentliche Äußerungen auf, die ein rechtsextremes Weltbild vermuten lassen. Der tatsächlich autoritäre Stil der Parteiführung wird parteiintern durch Methoden der direkten Demokratie kaschiert, deren Ergebnisse deutlich machen, dass die Mitgliedschaft Positionen zuneigt, die eher noch rechter sind, als die von der Führung öffentlich ausgegebenen.

Darüber hinaus wird die Formierung der AfD intensiv durch ein rechtes Mediennetzwerk begleitet, kommentiert und gefördert, namentlich die „Junge Freiheit“, „eigentümlich frei“, „Blaue Narzisse“ und die „Preußische Allgemeine Zeitung“. Diese Publikationen nehmen durch Interviews mit ihnen genehmen Funktionären der Partei Einfluss auf die Entwicklung der AfD. Bewunderung für deren Anführer Lucke geht einher mit der Lancierung scharfer nationalistischer, autoritärer und ausländerfeindlicher Standpunkte.

Ihr Platz in der Politik: Offen nach Rechts

Die AfD ist eine rechte Partei zwischen CDU/CSU und NPD. Ihr Ziel ist es, dieses politische Feld neu zu ordnen und ähnlich wie in anderen europäischen Ländern eine neue „unbelastete“ Artikulationsbasis für rechte Ideologie-Elemente zu bilden.

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Ob sich die AfD politisch-ideologisch vorrangig als konservativ, evangelikal, rechtspopulistisch, rechtsextrem oder neofaschistisch aufstellen wird, ist noch unklar.

Das muss für sie zur Zeit kein Nachteil sein. Unterschiedliche Spektren können sich angesprochen fühlen.

Sie beeinflusst bereits jetzt die CDU/CSU, indem sie z.B. in der CSU die Bildung eines „Konservativen Aufbruch. CSU-Basisbewegung für Werte und Freiheit“ provoziert hat, in der die AfD als möglicher Partner gehandelt wird. Führungspersonen der CDU/CSU wie z.B. Wolfgang Bosbach erklären, dass man auf die AfD zugehen solle.

Einige Beispiele für die rechtsextreme Gesinnung von AfD-Funktionären:

„Die Vereinigten Staaten von Europa (…) haben die Abschaffung der Staatlichkeit Deutschlands und des Grundgesetzes zum Ziel. (…) Sie ist (…) einer neomarxistischen Internationale zuzuordnen, welche die europäischen Nationen durch politische Gleichschaltung und die europäischen Völker durch Massenmigration aufheben will.“ (Der baden-württembergische AfD-Funktionär Jan Czada am 22.10.13, http://europablog.net/post/64788175211/die-afd-eine-partei-rechts-der-mitte)

Zurücktreten musste der 2. Stellvertretende Vorsitzende der Jungen Alternativen, da er Mitglied der Burschenschaft Danubia ist. Die Danubia wird vom selbst vom bayrischen Verfassungsschutz als „rechtsextrem“ eingestuft. (Pressemeldung der JA, 1.4.2014)

Sich entschuldigen und als Pressesprecher und stellvertretender sächsischer Landesvorsitzende zurücktreten musste Thomas Hartung. Er hatte hartnäckig behinderte Menschen auf seiner Facebook-Seite beleidigt. (Pressemeldung der AfD, http://www.alternativefuer.de/thomas-hartung-entschuldigt-sich-oeffentlich/)

Ausländerfeindlich getwittert hatte ein Mitglied der AfD Rhein-Sieg. Es handelte sich um das Foto eines amerikanischen Ureinwohners in Kombination mit den Sätzen: „Die Indianer konnten die Einwanderung nicht stoppen. Heute leben sie in Reservaten“. Von dieser typisch rechtsextremen Analogie distanzieren musste sich sein Kreisverband. (Pressemeldung AfD, 21.06.2014)

Aber auch die offiziellen Dokumente geben genug Raum für rechtsradikale Interpretation. Die AfD erklärt, für ein „offenes und ausländerfreundliches Deutschland“ einzutreten. Sie fordert aber, dass Sozialleistungen „nur solche Zuwanderer erhalten, die in erheblichem Umfang Steuern bzw. Sozialversicherungsbeiträge in Deutschland gezahlt haben oder deren Eltern das getan haben.“

Da das aber logisch gar nicht möglich ist, wird die nächste Forderung fällig, in der heißt: „Wenn Zuwanderer in Deutschland keine ausreichenden Mittel …zur Verfügung haben, müssen sie in ihre Heimat zurückkehren.

Programm der AfD für die Wahl des Europäischen Parlaments, Beschluss vom 22.03.14, S. 15)

 

Was wirklich gemeint ist, machte Bernd Lucke in einer Talk-Show deutlich:

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„Es kann nicht sein, dass wir wie ein Magnet Menschen anziehen, die dann hier nur eine Art sozialen Bodensatz der Gesellschaft formen werden. (Bernd Lucke, 30.08.13, zitiert nach Süddeutsche Zeitung ,13.09.13)

Die AfD trägt ihre Kritik an den politischen Eliten, der angeblich schädlichen Einwanderung und dem Kurs der Europäischen Union in pauschaler, beleidigender und irreführender Form vor.

Beispielhaft wird dies daran, dass sie politische Konkurrenten pauschal als „Altparteien“ diffamiert (Programm der AfD für die Wahl des Europäischen Parlaments, Beschluss vom 22.03.14)

Plakate und Aktivitäten von AfD-Gliederungen gehen in die gleiche Richtung. AfD-Funktionäre fielen durch die Forderung nach einer „Deutschquote“ für Musik im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die Unterstützung homophober Unterschriftensammlungen oder die pauschale Ablehnung der Türkei als mögliches Mitglied der EU auf.

Ihr Plan für Europa: Hungerlöhne und Sozialabbau

Eine zentrale Behauptung der AfD lautet, deutsche Interessen würden in der EU zu wenig berücksichtigt und seien deshalb fortan aggressiver durchzusetzen. Sie zieht sich durch zahlreiche Dokumente und Aussagen ihrer Funktionäre. Eine zweite Argumentationslinie unterstellt, eine quasi-parasitäre Unterschicht, sowohl deutscher als auch nicht-deutscher Herkunft hierzulande, die zur Raison zu bringen sei.

Eine sich daraus ergebende doppelte Frontstellung wird behauptet. Der Bürger sei gefangen im „Zangengriff“ aus „nationalen und internationalen Bürokraten und Konzernen“ einerseits und einer „ausufernden Sozialindustrie“ andererseits, so Marc Jongen, stellvertretender Landesvorsitzender in Baden-Württemberg (Cicero, 22.01.14)

Prominente AfD-Abgeordnete des Europäischen Parlaments stehen für einen explizit gewerkschaftsfeindlichen und marktradikalen Kurs, so z.B. Joachim Starbatty, ehemals BFB und Aktivist der „Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft“.

Kritik richtet sich gegen die Europäische Union und die Parteien in Deutschland, die diese stützen, indem die AfD ihnen vorwirft nicht umfassend genug und nicht stark genug die Interessen deutscher Unternehmen zu vertreten.

Man möchte sich das Beste aussuchen. Der europäische Binnenmarkt wird ausdrücklich gefordert, weil die deutsche Wirtschaft von ihm maßgeblich profitiert. Seine „negativen“ Effekte möchte man aber ausgrenzen, abschieben und draußen halten.

Darüber hinaus fordert die AfD die Verschärfung der Zwänge und des Druckes auf die erwerbstätigen und insbesondere die nicht erwerbstätigen Menschen. Ihr Ziel ist allem Anschein nach die völlige Unterwerfung menschlichen Handelns und Lebens unter das Diktat angeblicher Wirtschaftlichkeit, verstanden als die ungebremste Zurichtung der arbeitenden Menschen auf die Interessen der Unternehmen.

Die Wirtschaft soll dem Menschen dienen, schreibt die AfD. Nur richten sich die von ihr geforderten Maßnahmen gegen die Interessen der arbeitenden und arbeitslosen Menschen. Die AfD ist gegen den Mindestlohn, gegen erkämpfte Rechte der Beschäftigten, die als „Bestandsschutz“ diffamiert werden. Der Sozialstaat soll weiter abgebaut werden.

Programm der AfD für die Wahl des Europäischen Parlaments, Beschluss vom 22.03.14, S.14,15, 18)

In ihrem Bemühen die Profitinteressen von Unternehmen zu bedienen, verweigert sich die AfD sogar international wissenschaftlich erforschten Zusammenhängen wie der Erkenntnis vom Klimawandel. (Programm der AfD für die Wahl des Europäischen Parlaments, Beschluss vom 22.03.14, S. 19)

Download des Flyers: W_Flyer_VVN_AfD_0714