Bundeskongress der VVN-BdA tagte in Frankfurt am Main

8. Juni 2014

Antifaschisten berieten in ernster Lage neue Aufgaben

Zu den zahlreichen Aktionen für den Frieden in der Ukraine und den Frieden mit Rußland, die am Wochenende in der gesamten Republik stattfanden, ist auch der 5. Bundeskongress der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschisten mit über 200 Teilnehmern zu rechnen, der gleichzeitig im Haus Gallus in Frankfurt am Main tagte. Vor den 158 Delegierten der rund 6.300 Mitglieder der traditionsreichen ältesten antifaschistischen Organisation verurteilte die fast einstimmig wiedergewählte Bundesvorsitzende Cornelia Kerth die Rolle der führenden Bundespolitiker in der gegenwärtigen gefährlichen Krise. Diese Politiker wie auch führende Medien „verleumden all jene, die aus der Geschichte des deutschen Militarismus, aus Vernichtungskrieg und Holocaust den Schluss gezogen haben, daß die Verantwortung Deutschlands aus seiner Geschichte nur Zurückhaltung sein kann, ganz besonders militärische.“ Die in Europa entstandene gefährliche Lage „hat viele Dimensionen, von der Aneignung des Volksvermögens durch ‚Oligarchen’ und ihre Folgen über die Förderung jeder Art von Nationalismus durch sämtliche Regierungen der Region seit Ende der Sowjetunion bis hin zum politischen Vorstoß von EU und NATO bis an die Grenzen Rußlands“. Unerträglich sei die „anti-russische Hetze in nahezu allen Medien“, die an Zeiten des Kalten Krieges erinnere.

Der neugewählte Bundessprecherkreis der VVN-BdA (von li. nach re. ): Ulrich Schneider, Conny Kehrt, Regina Girod, Regina Elsner, Axel Holz, Ulrich Sander (Bild: r-mediabase.eu-jovofoto)Der Kongress bekräftigte die Notwendigkeit des Zusammengehens und der verstärkten Aktivitäten der Friedensbewegung, der Gewerkschaften und der antirassistischen/antifaschistischen Bewegungen. Er wurde als große Zukunftswerkstatt durchgeführt, so daß alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich zu den vielfältigen Politik- und Arbeitsfeldern der Vereinigung äußern konnten. Nach dem Erfolg der Organisation, mit der Kampagne „NoNPD“ zur Bundestagsinitiative gegen die NPD beigetragen zu haben, steht die Aufklärungsarbeit über den Rechtspopulismus etwa der deutschnationalen „Aktion für Deutschland“ mit ihren antidemokratischen und fremdenfeindlichen Positionen ebenso auf der Agenda wie die breite antifaschistische Bildungsarbeit. Mit einer neuen Ausstellung „Neofaschismus in Deutschland“ wird die VVN-BdA in Schulen und in der gesamten Öffentlichkeit dazu ihren Beitrag leisten. Die Ausstellung wurde mit starker Zustimmung im traditionsreichen Haus Gallus zum ersten Mal gezeigt. In dieser Stätte des Auschwitz-Prozesses tagte die Konferenz. Sie war mit einer Peter-Weiß-Lesung eröffnet worden.

Die VVN-BdA warnte vor der großen Zahl untergetauchter gewalttätiger Nazis, denn auch nach dem bisherigen Verlauf der Untersuchungen zum „Nationalsozialistischen Untergrund“ sind wichtige Fragen noch nicht geklärt. Sprecher von Mitgliedsverbänden der Föderation der Widerstandskämpfer FIR nahmen am Kongress des FIR-Mitgliedsverbandes VVN-BdA teil. Sie machten bei einer Podiumsdiskussion am Vorabend der Konferenz im gut gefüllten Saal des Hauses auf die gewachsene Gefahr seitens der Rechtskräfte im EU-Bereich aufmerksam. In Frankreich, Griechenland, den Niederlanden und Ungarn – von dort kamen die Gäste –wurde durch die EU-Wahlen in vorher nicht gekanntem erschreckendem Ausmaß diese Tendenz sichtbar. Der Rassismus der „Festung Europa“ wurde unter die Anklage der Antifaschisten gestellt, ebenso der wachsende Antiziganismus.

Mit starkem Beifall und bewegenden Gesten wurde Prof. Heinrich Fink, der langjährige Bundesvorsitzende der VVN-BdA verabschiedet und gleichzeitig zum Ehrenvorsitzenden bestimmt. Mit Heinrich Fink und Esther Bejarano wird es nun zwei Persönlichkeiten in dieser Ehrenfunktion geben. Außer Cornelia Kehrt aus Hamburg wurde Dr. Axel Holz (Schwerin) zum Bundesvorsitzenden gewählt. Neben den Bundesvorsitzenden und der wiedergewählten Bundesschatzmeisterin Regina Elsner (Hoyerswerda) gehören auch künftig Dr. Regina Girod (Berlin), Ulrich Sander (Dortmund) und Dr. Ulrich Schneider (Kassel) dem Bundessprecherkreis, dem Bundesvorstand der VVN-BdA, an, der von elf auf sechs Personen verkleinert wurde. Bestätigt wurden die von den Mitgliedsorganisationen und Landesvereinigungen benannten Mitglieder des Bundesausschusses. Dieser bekommt einen Haufen Arbeit, denn ihm wurden zehn Anträge zur Behandlung überwiesen, die auf Grund des durch die neu entstandene dramatische Situation erfolgten umfassenden Diskussionsbedarfs der Delegierten nicht mehr in Frankfurt behandelt werden konnten. Der Bundesausschuss wird am 5. und 6. Juli in Magdeburg zusammentreten. Vorher, am 21. Juni, beabsichtigen zahlreiche VVN-BdA-Aktivisten in Riesa zu einem Aktionstag gegen die NPD und ihr Organ „Deutsche Stimme“ zusammenzukommen.

Eine Opferorganisation erfindet sich neu (Kommentar)

Nicht dass der Name „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ in Frage gestellt wurde. Und auch der Zusatzname – seit 1972 „Bund der Antifaschisten“, der die generationsübergreifende Rolle der größten und ältesten Opferorganisation verdeutlicht – wird bleiben. Denn die Verfolgten brauchen weiterhin ihren Fürsprecher. Und dazu zählen die 2. und 3. Generation der Hinterbliebenen und die niemals entschädigten Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen. In einigen Bundesländern nennen sich die entsprechenden Gruppen innerhalb der VVN-BdA „Kinder des Widerstandes“.

Es trifft sich gut, dass der deutsche Bund der Antifaschisten keine nationale Herkunftsbezeichnung hat. Angesichts der heutigen ernsten Lage, die ja nicht wie ein böser Traum wieder weggewischt werden kann, muss die Vereinigung immer internationaler und immer mehr zum Bund der Antifaschisten wie auch der Antimilitaristen werden. Sie muss sich immer mehr mit ihren Partnern im EU-Bereich verbünden, die nach der EU-Wahl wie wir ziemlich fassungslos auf das Ergebnis – besonders in Frankreich – blicken.

Auf dem Bundeskongress der VVN-BdA vom 30.5. bis 1.6.14 im ebenfalls traditionsreichen Haus Gallus, wo der Auschwitzprozess stattfand, wurde für Beobachter erkennbar: Diese Vereinigung erfindet sich neu, ohne das Vermächtnis ihrer Gründer zu vernachlässigen.

Kaum eine Delegierte oder kaum ein Delegierter ist noch im Krieg geboren. Nur sechs hatten Emigration und Verfolgung vor 1945 zu erleiden, allerdings auch eine nicht ermittelte und nicht unbeträchtliche Zahl lernte politische Verfolgung nach 1950 – Blitzgesetze des Dr. Adenauer und FDJ- wie KPD-Verbot – kennen. Internationaler wird die Organisation infolge ihres Auftrages, im Lande für die Opfer von Rassismus und Antiziganismus einzutreten. Zugleich erfordert die internationale Rolle Deutschlands eine demokratische und friedliche Antwort. Die ökonomische Dominanz Deutschlands in der EU hat dieses Land zum Ausbeuter von Millionen gemacht. Zugleich ist Deutschland führend dabei, die EU zu einem militärischen Block zu machen. In der Ukrainekrise versieht Deutschland für die Nato sogar militärische Vorreiterdienste. Während der Bundestag das Verbot der NPD beim Bundesverfassungsgericht beantragt hat, bemüht sich die Bundesregierung um eine „Stabilität“ in der Ukraine, die auch Abstützung durch faschistische Kräfte erfährt. Im Lande die NPD verbieten und in Europa die Faschisten hoffähig machen, das ist gegenwärtig die Rolle dieses Landes!

Viele Menschen in aller Welt haben Anlass, voll Sorge und Zorn auf dieses Land zu blicken. Da wird auch die Verantwortung der Antifaschisten Deutschlands größer, eine Rolle als solidarische internationalistische Kraft einzunehmen. Ansatzweise, aber auch noch sehr ausbaufähig, wurde diese Rolle auf der VVN-BdA-Konferenz erkannt und angenommen.

Ulrich Sander

Siehe auch:

Politischer Bericht Bundeskongress 2014
http://www.vvn-bda.de/politischer-bericht/

Alles zum BuKo: http://www.vvn-bda.de/category/buko/2014/

Bundeskongress VVN-BdA – neuer Vorstand gewählt
http://www.kommunisten.de/index.php?option=com_content&view=article&id=5041:bundeskongress-vvn-bda–neuer-vorstand-gewaehlt&catid=76:ausserparlamentarisches&Itemid=153

Autoritärer Kapitalismus: Europäische Antifaschisten diskutierten Ursachen des Stimmenzuwachses für extreme Rechte bei den Europawahlen. »Komitee der Wachsamkeit« gefordert
http://www.jungewelt.de/2014/06-04/054.php

5. Bundeskongress VVN-BdA 2014
http://www.r-mediabase.eu/projekt-veranstaltung/projekt-und-veranstaltung/5-bundeskongress-vvn-bda-2014

VVN Bundeskongress 2014-Rechtspopulismus in Europa
http://www.r-mediabase.eu/projekt-veranstaltung/politik-und-gesellschaft/vvn-bundeskongress-2014-rechtspopulismus-in-europa

Quelle: VVN-BdA NRW / Ulrich Sander